Bahnübergänge – die unterschätzte Gefahr.

Am 7. August 2019 kam es nahe Heide zum bereits vierten Bahnübergangsunfall der nordbahn im laufenden Jahr. Eine erschreckende Serie mit tödlichem Ausgang für die Autofahrer in zwei Fällen. Wir möchten daher die Risiken und Regeln an Bahnübergängen hier zum Thema machen.

Wo Straße und Schiene sich kreuzen

Auf den knapp 90 Kilometern von Neumünster nach Büsum wird die Bahnlinie RB63 im Schnitt alle 950 Meter von einer öffentlichen Straße gekreuzt. Das schwergewichtige Schienenfahrzeug – in diesem Falle die nordbahn – hat mit seinem langen Bremsweg natürlich immer und überall Vorfahrt. Aus Blickrichtung der Autofahrer warnen überall in Deutschland rot-weiße Andreaskreuze vor diesen "höhengleichen Kreuzungen der Verkehrsträger Straße und Schiene" – so auch hier. Die Überfahrt des Straßenverkehrs kann je nach Verkehrsaufkommen und Beschaffenheit des Umfeldes zusätzlich durch Halb- oder Vollschranken (mehr als ein Drittel auf dieser Strecke), Lichtzeichen oder Blinklicht gesichert werden. Bei nichttechnisch gesicherten Bahnübergängen ist vorgeschrieben, dass der Autofahrer vor dem Überqueren gründlich schaut, dass sich aus keiner Richtung ein Zug nähert. Ergänzend  können sogenannte Pfeiftafeln für den Triebfahrzeugführer aufgestellt sein. Diese Signaltafeln zeigen ihm an, bei der Zufahrt auf einen Bahnübergang, einen lauten Pfeifton auszulösen. An Übergängen, wo das Sichtfeld auf die Bahnstrecke eingeschränkt ist, gelten reduzierte Geschwindigkeitsvorgaben für die Bahn und den Straßenverkehr. Für Planung, Ausstattung, Betrieb und die Pflege dieser deutschlandweit über 20.000 Einrichtungen ist die DB Netz AG verantwortlich. 


Wenn es passiert

Bei der Menge an Übergängen und täglichen Überfahrten sind Unfälle statistisch gesehen recht selten. Die nordbahn verzeichnete bis Anfang dieses Jahres linienübergreifend durchschnittlich etwa zwei Fälle pro Jahr. WENN es jedoch zum Zusammenstoß kommt, sind die Folgen oft verheerend. Rund 80 Tonnen bewegte Masse eines "kleinen" Lint-Triebwagens, wie er zwischen Neumünster und Büsum fährt, prallen dann oft im ungünstigsten seitlichen Winkel in das Auto. Vor dieser Wucht und den kantigen Kupplungsteilen an der Zugfront bietet auch modernste Sicherheitstechnik der Autos keinen wirksamen Schutz. Der Bremsweg kann sich, selbst bei reduzierten Bahngeschwindigkeiten von 60 bis 80 km/h, leicht über eine Länge von drei Fußballfeldern erstrecken. Daher ändert auch eine schnelle Reaktion des Triebfahrzeugführers in der Regel nur wenig an der unausweichlichen Kollision. Eine Kollision, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren oder tödlichen Verletzungen führt und das Leben ganzer Familien leidvoll verändern kann. Nicht selten benötigen auch die Helfer am Unfallort und die betroffenen Triebfahrzeugführer aufgrund der schrecklichen Geschehnisse und Bilder im Anschluss selbst Hilfe, um das Erlebte verarbeiten zu können. 
Die einhergehenden Schäden an den Triebwagen seien an dieser Stelle nur als Randerscheinung erwähnt. Meist wirken Sie sich jedoch auf den Fahrplan aus: Wir verfügen z.B. im Netz Nord über eine eher kleinere, begrenzte Fahrzeugflotte. Durch Unfallserien und dadurch beschädigte Triebwagen wird die Fahrzeugreserve empfindlich und andauernd geschmälert. Dieser Effekt ist in diesem und war im letzten Jahr in Form von vermehrt ausfallenden Zugfahrten deutlich zu spüren. Oft betrifft dies dann aus logistischen Gründen besonders den Abschnitt zwischen Heide und Büsum. 


Was kann verbessert werden?

Bahnübergangsunfälle – insbesondere an nichttechnisch gesicherten Überwegen – sind deutschlandweit eine Problem. Erschütternd für uns und die Region Dithmarschen ist allerdings die schnelle Folge schlimmer Unfälle. Wir möchten es daher nicht unversucht lassen, mit einigen Hinweisen zur Prävention beizutragen. Jeder Unfall an einem Bahnübergang wird individuell und eingehend durch die Landespolizei in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, der DB Netz sowie dem betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen untersucht. Hierbei wird in Richtung aller involvierten Personen und Sicherheitsvorkehrungen ermittelt.

Wo jedoch – über die notwendige Einzelfallprüfung hinaus – der größte Hebel der Präventionsarbeit ansetzen muss, wird jedoch beim Blick auf die Ursachenstatistik des ADAC sehr deutlich. So liegt die Unfallursache in 95 Prozent aller Fälle auf Seiten des Autofahrers, der die geltenden Regeln beim Überqueren des Übergangs nicht beachtet. Heiko Kraft, der bei der Bundespolizeiinspektion Flensburg unter anderem für Gefahrenabwehr, Verkehrssicherheit und Unfallprävention im Bahnbereich zuständig ist, formuliert es so: „Die Vorfälle an Bahnübergängen, die wir hier zur Kenntnis bekommen, legen nahe, dass das Gefahrenradar der Menschen an solchen Kreuzungen viel schwächer ausgeprägt ist als im sonstigen Straßenverkehr." So gebe es neben Unachtsamkeit oder Unkenntnis der Verkehrsregeln auch zahlreiche Fälle, in denen Signale leichtsinnig ignoriert oder gar geschlossene Schranken umfahren werden – offenbar im Irrglauben, die Situation sicher überblicken zu können.

So menschlich und alltäglich Fehleinschätzungen im Straßenverkehr auch sind, so fatal enden sie sich immer wieder, wenn Bahnübergänge involviert sind.

Eine vielversprechende Maßnahme liegt daher in einem stetigen Appell an Vernunft und Aufmerksamkeit am Steuer. Hierfür haben sich Deutsche Bahn, ADAC, Bundespolizei, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie die gesetzlichen Unfallversicherungen UVB und VBG bereits seit dem Jahr 2002 zusammengeschlossen. In ihren gemeinsamen Initiativen "sicher drüber" und „wer ist eigentlich dieser Andreas“ weisen sie auf die Gefahren hin und geben Anleitung für das sichere Überqueren von Bahnübergängen. Auch Verkehrsverbünde und viele Verkehrsunternehmen wie auch die nordbahn flankieren die Bemühungen seit langem durch eigene Aufklärungsarbeit. Die Entwicklung der Unfallzahlen ermutigt zum Fortführen dieses Weges und zum regelmäßigen Auffrischen der Botschaften. Zählte die Deutsche Bahn an allen ihren Übergängen im Jahr 2002 noch 294 Unfälle, war im Jahr 2017 mit 140 Fällen mehr als eine Halbierung erreicht (mehr Informationen).
Wir hoffen, dass die Entwicklung bei der nordbahn diesen rückläufigen Trend künftig unterstützen wird. Unten nennen wir „zur Sicherheit" nochmal die wichtigsten Verhaltenshinweise. Umfragen in unserem Team haben jedenfalls ergeben, dass auch bei einigen langjährigen Autofahrern nicht alle Tipps so ganz präsent waren. Euch allen eine gute und sichere Fahrt – mit Auto und Bahn.
 

Richtiges Verhalten an Bahnübergängen (Quelle: Deutsche Bahn)

•    Bahnübergänge erkennst Du am Andreaskreuz. Das Verkehrszeichen zeigt an, dass der Zug hier immer Vorrang hat – auch an Fuß-, Feld-, Wald- oder Radwegen!
•    Nähere Dich dem Bahnübergang langsam und sei bremsbereit! Weiße Baken mit roten Streifen zeigen Dir an, wie weit der Bahnübergang noch entfernt ist.
•    Beachte die Verkehrszeichen mit der zulässigen Geschwindigkeit!
•    Auf keinen Fall überholen!
•    Achte auf akustische Signale der Bahnübergangsanlage oder der Züge!
•    Verringere die Lautstärke Deines Radios! Nimm die Kopfhörer ab!
•    Blicke am Andreaskreuz in Ruhe nach beiden Seiten über die Strecke! Fahre erst weiter, wenn Du Dich genau vergewissert hast, dass kein Zug kommt!
•    Bleibe bei rotem Licht am Bahnübergang immer stehen, auch wenn die Schranken noch oben sind! Bei gelbem Licht und rotem Blinklicht ebenfalls anhalten!
•    Geschlossene Schranken bedeuten Stopp! Sie schließen nicht ohne Grund! Umfahre sie niemals und klettere nicht darüber!
•    Bleibt Dein Fahrzeug auf dem Bahnübergang liegen, verlasse es und rufe die 112 an. Dein Leben ist wichtiger als Dein Auto!
 

Weitere Informationen und Tipps, die Leben retten stellt der ADAC auf seinen Seiten bereit.